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the trick is to keep breathing

[presse]


Von Leid und Grausamkeit durch Liebe
von Joachim F. Tornau, Göttinger Tageblatt, 25. Mai 1998

Liebe, wenn es sie denn gibt, ist grausam. Anwesend droht sie ständig mit Verletzung und Verlust, abwesend straft sie mit Verzweiflung und Verlangen. Wer liebt, leidet, wer nicht mehr liebt, quält. Stirbt die Liebe, lebt das Objekt dieser Liebe leidend weiter; stirbt der geliebte Mensch, überlebt das Gefühl und foltert die Erinnerung.
"Manchmal werden die Dinge schlimmer, bevor sie besser werden. Aber manchmal werden sie auch einfach nur schlimmer", stellt Joy resigniert fest. Die Zeit mag alle Wunden heilen, doch wenn die Erinnerung sie wieder aufreißt, gibt es nur noch Hoffnungslosigkeit. Joys Geliebter ist gestorben und mit ihm ihr Leben. Ihre Mitmenschen formieren sich zum Das-wird-schon-wieder-Chor, aber für sie kann das Dasein nurmehr eine Konzentration auf das Überlebensnotwendige sein: "The Trick is to Keep Breathing".
Die gleichnamige Romanvorlage der schottischen Autorin Janice Galloway steht im Mittelpunkt der Collage über Liebe und Verlust, die der Drama Workshop des Englischen Seminars im Göttinger Theater im OP präsentierte. Für die Bühne adaptierte Szenen aus "The Trick is to Keep Breathing" wechseln sich mit ab mit Auszügen aus den "Love Letters" von A.R. Gurney, mehreren Kurzstücken von Joe Pinatauro und (als interessanter Vergleich zur Inszenierung im Deutschen Theater) einer Szene aus der "Glass Menagerie" von Tennessee Williams.
Mit einfachen Mitteln - einem schlichten Bühnenbild, einigen wohldosierten Lichteffekten und Szenenübergängen, die nicht nur musikalisch, sondern auch optisch per Diaprojektion markiert werden - lassen Lars Schüler und Maja Mann eine beklemmende Atmosphäre entstehen, die das Leiden und die Grausamkeit fast körperlich spürbar macht und für atemlose Stille im Publikum sorgt.
Nur wenig Personal agiert gleichzeitig auf der Bühne, die Anforderungen, die lange Monologe oder bestenfalls Dialoge an die zwölf Schauspielerinnen und Schauspieler stellen, sind enorm. Und sie werden mit erstaunlicher Bravour gemeistert - der englischen Sprache, die nur zwei von ihnen als Muttersprache sprechen, zum Trotz.
Susanne Grosse ist eine beeindruckende Joy, der die Verzweiflung in jeder einzelnen Faser ihres Körpers zu stecken scheint, Ulla Schütte spielt ihre hilflose Freundin Marianne mit Wärme und Mit-Leid (und schottischem Akzent ...), und Miriam Seibold sorgt als Health Visitor (wie später als Amanda in der "Glass Menagerie") für komisch-quälendes Schreckschrauben-Flair. Markus Stock als Andrew und Katrin Hempel als Melissa lassen ihre Charaktere durch das einfache Verlesen der "Love Letters" plastischer werden, als es mitunter durch direktes Handeln gelingen kann, und Georg Düsel ist ein trampelig-jovialer Jim aus der "Glass Menagerie", der den Vergleich mit seinem Pendant am DT nicht zu scheuen braucht.
Liebe, wenn es sie denn gibt, ist grausam. "The Trick is to Keep Breathing" ist es auch. Wer auf seinem Heimweg hohe Brücken zu passieren hat, sollte sich einen Besuch besser zweimal überlegen. Wer nicht, möge sich sofort Karten bestellen.


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