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Teeka

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Wechselbäder der Charaktere
von Katrin Pauly, Göttinger Tageblatt, 23. Juni 1998

Er verwöhnt sie mit rotem Wackelpudding, und sie begleitet ihn auf seine Phantasie-Reisen. Sie möchte gerne das Fliegen lernen und er so stark und mutig sein wie Tarzan. Ihre große Gemeinsamkeit ist die Einsamkeit. Da schmeißen die Gans Teeka und der Junge Maurice ihre Träume zusammen und werden Freunde.
Allerdings steht diese Freundschaft, von der Michel Marc Bouchards "Geschichte von Teeka" erzählt, auf wackligen Beinen. Was Teeka nämlich nicht weiß, ist, daß in der Scheune nebenan, in die ihre Gänsegenossen reihenweise verschwinden, Maurices Eltern mit dem Schlachtermesser Tickets für den Flug ins ewige Gänsenirwana vergeben und daß Maurice selbst vermutlich Nacht für Nacht auf den Daunen von Teekas Mutter ruht.
Er, der es in seinen Träumen mit den Regengöttern des Dschungels und gefährlichen Raubtieren aufnimmt, ist im wirklichen Leben zu schwach, um sich seinen Eltern zu widersetzen und Teeka zu erretten. So wird aus dem Märchen über eine wunderbare Freundschaft, das Piotr Reimer für die Bühne des Theaters im OP inszenierte, schnell auch eine Geschichte über enttäuschte Erwartungen und verletzte Gefühle.
Und der Regisseur setzt in seiner Inszenierung ganz auf die Darstellung dieser emotionalen Wechselbäder der Charaktere. Er hält sich nicht auf mit einer aufwendigen Dekoration oder großartigen Effekten, statt dessen wird in fast jeder Szene, auch wenn das Stück ein wenig langsam in Gang kommt, eine sehr sorgfältige Arbeit am Detail sichtbar. Da spielt Maurice beispielsweise mit einem Schiffchen, dessen Motor Geräusche von sich gibt, die denen einer schnatternden Gänseschar nicht unähnlich sind. Ein zusammengelegter Gürtel wird zum Rhythmusgeber für eine Tanzsequenz, die Bewegungen spiegeln sich als bizarre Schatten auf der Rückwand des Theaters, was den poetisch-märchenhaften Charakter des Stückes betont. Begleitet werden Szenen wie diese einfühlsam von Achim Raabe am Waschbrett und Christopher Weiß an der Ziehharmonika.
Daß das Märchen bei aller Poetik nicht zu pathetischem Kitsch verkommt, daran haben die beiden Schauspielerinnen großen Anteil. Juliana Sudhölter spielt einen zwar träumerischen, aber äußerst lebendigen Maurice, und Alina Kupisch ist als Teeka zart im Auftreten und stark in den Sentiments. Am Ende müssen beide Federn lassen. Teeka verliert ihr Leben und Maurice einen Freund. Was bleibt von einer wunderbaren Freundschaft, sind zwei Handvoll Gänsedaunen und ein dicker Applaus für Musiker, Darsteller und den Regisseur.


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