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Arsen - Presse


Göttinger Tageblatt vom 19. März 1999:

Über Abgründe hinwegschwingen

"Man kiegt ja heute nur noch so selten Heidelbeerwein", sagt der alleinstehende Herr zu den beiden netten alten Damen, die ihn sanft auf ihr Sofa genötigt und von dem selbstgebrauten Trunk angeboten haben. Doch wer ahnt schon, dass die Schwestern Brewster im wahrsten Sinne des Wortes einige Leichen im Keller haben und ihren Gast gerne dazugesellen würden?
Die Szene stammt aus dem 1941 uraufgeführten Stück "Arsen und Spitzenhäubchen" von Joseph Kesselring. Es ist ein Klassiker unter den schwarzen Komödien, populär vor allem durch die Hollywood-Verfilmung mit Cary Grant.
Ohne Scheu vor der filmischen Erblast hat Thomas Müller für das Theater im OP die Geschichte der Schwestern Brewster inszeniert. Sie versüßen sich ihren Lebensabend damit, einsame Herren vom Leid zu "erlösen". Umgeben sind sie von ihren beiden Neffen, dem geistig zurückgebliebenen Teddy und Mortimer, einem Theaterkritiker, der nicht nur um die Entdeckung des delikaten Geheimnisses fürchtet, sondern auch um sein eigenes genetisches Material.
Selbstbewusst ließ Müller seine Darstellertruppe zur Premiere des Stücks am Mittwoch den berühmten Vorgängern mit leicht veränderter Tonlage nacheifern. Und das führte, nach ein paar verzeihlichen Anfangswacklern, zu einem vergnüglichen rabenschwarzen Abend.
Mit viel Detailtreue - vom geklöppelten Lehnenschoner bis zum Teeservice - hat Gerd Schuck eine Bühne geschaffen, auf der liebevoll-verstaubte Salonatmosphäre herrscht, in der sich Renate Nordmann und Ruth Lautenbach als Brewster-Schwestern bewegen, als sei dies ihr Heim. Besonders Lautenbach ist in ihrer fragilen Standhaftigkeit eine so reizende und charmant-naive Mörderin, dass man ihr gerne beim Grubeschaufeln zur Hand gegangen wäre.
Dagegen musste sich Markus Piccio als Neffe Mortimer erst in seine Verwirrung hineinarbeiten. Kai Blottnitz, Peter Schubert und Heiko Siebert als vertrottelte Polizisten machten ihre Sache ebenso gut wie Dirk Böther als Massenmörder-Neffe Jonathan. Und auch der Rest des Ensembles trug dazu bei, dass es eine runde Inszenierung wurde.
Was allerdings der Programmzettel an Reflexionen des Regisseurs bot, ließ sich im Stück nicht wiederfinden. Für Gedanken über den "bösen Sexus", über "Theaterfeindlichkeit" und (schlimme) "Kindheit" war das Stück nicht hintergründig genug angelegt - glücklicherweise! Denn eine Komödie will über die Abgründe des Lebens hinwegschwingen, nicht in sie hineinführen. Das ist das Wesen des Genres. Und dazu gehört viel künstlersches Können. Die Inszenierung jedenfalls war so urkomisch, dass sie ernstgenommen werden sollte - auch vom Regisseur.
Kirsten Kronberg

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