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Pressestimmen


Göttinger Tageblatt vom 22. Januar 1999:

Riverdance mit Ringelreihen

Böhmen liegt am Meer und ist so eine Art Arkadien. Alle sind Schäfer oder Schäferinnen und vom Scheitel bis zur Sohle ganz und gar natürlich. Die Frauen tragen ihr langes Haar offen, und alle tragen grob Gewirktes in Brauntönen. Und dann kommt das Schafschur-Fest, und alle tanzen heißa, hopsasa, Ringelreihen. Fast wird so eine Art Riverdance daraus. Nur eben mit weniger Choreographie und viel spontaner als die irische Profitanztruppe. Weil eben in Arkadien alle so natürlich sind.
Im Gegensatz zu denen am Hof des Königs von Sizilien. Die bewegen sich gemessen, wenn überhaupt. Meistens stehen sie nur stocksteif herum und machen keine Geste zuviel. Die Männer tragen Kniebundhosen und weiße Strümpfe, die Frauen fließende Kleider aus Samt, Seide oder Brokat. Schön ironisch hat Dirk Böther in seiner Inszenierung von Shakespeares "Wintermärchen" für das Göttinger Theater im OP den Gegensatz zwischen der "Kunstwelt" am Hof und der "Naturwelt" auf dem Land herausgearbeitet.

Vom Schicksal gebeutelt
Am Anfang führt Böther das Publikum noch in Versuchung, Shakespeares Tragödie mit Happy End ernst zu nehmen und mitzuleiden mit all den vom Schicksal Gebeutelten. Ausgangspunkt des ganzen Schlamassels ist die Eifersucht, und in die steigert sich der Regisseur in der Hauptrolle als Leontes, König von Sizilien, so heftig hinein, daß man ihm auf diesem Weg gern eine Stück weit folgt.
Leontes verdächtigt seine Gattin Hermione, ein Techtelmechtel mit seinem Jugendfreund Polixenes zu haben. Argwöhnisch betrachtet Leontes die Verdächtigen aus den Augenwinkeln: Die mit weißem Stoff bespannten Wände färben sich rot und Musik erklingt, die so verzerrt ist wie die Wahrnehmung des Königs. Hier kocht das Blut, hier bahnt sich Furchtbares an.
Schnell knüpft Shakespeare den dramatischen Knoten. Kaum hat die hochschwangere Hermione (Bettina Kuhn) von dem Verdacht erfahren, ist sie auch schon hinter Gefängnismauern. Die dort geborene Tochter, ein niedliches Wesen im Steckkissen, läßt der verblendete Tyrann an wilden Gestaden aussetzen, weil er sie für Polixenes' Tochter hält. Aber Hermione, die Edle, bewahrt Haltung, so verzweifelt ihre Lage auch ist.
Ein Zeitsprung von 16 Jahren leitet das glückliche Ende ein. Das unschuldige Töchterlein ist zu einer gar schönen Prinzessin herangereift, die sich in Polixenes' Sohn Florizel (Jan Jürgens) verliebt hat. Weil aber keiner weiß, daß Perdita (Helle Körner) adelig ist, flieht das Paar. Es landet am Hof von Sizilien, wo Perditas Papa, der alles arg bereut, sein eigen Fleisch und Blut natürlich erkennt. Fehlt zur Auflösung alles Tragischen noch die totgeglaubte Mutter, die bei ihrer Vertrauten Paulina überlebt hat und der Familie jetzt als Statue vorgeführt wird. Dieser Schwindel muß auffliegen. Ende gut, alles gut.

Nahrung für Autolycus
Böther, bislang vor allem als Darsteller am ThOP hervorgetreten, hat "Das Wintermärchen" mit einem großen Ensemble als Schauspielertheater inszeniert. Es gibt kaum Requisiten, keine Kulisse und wenig Effekte. Dafür sehenswerte darstellerische Leistungen. Böther ist als Leontes schön gefährlich, und Florian Schipka gewinnt als sein Feindbild Polixenes vor allem in den ersten Szenen Profil, ist so harmlos und einfach, wie Leontes kompliziert ist. Marcus Piccio bringt als unbekümmert drauflos singender Autolycus hinterlistigen Witz ins Spiel, Oliver Gehrke gibt ihm als Tölpel reichlich Nahrung. Und Renate Nordmann zieht als temperamentvolle Paulina im Hintergrund die Handlungsfäden.
Viel Mühe hat sich das Team mit den Kostümen gegeben. Lang ist die Liste der Theater im Programmheft, die etwas aus ihrem Fundus verliehen haben. Bei so viel Perfektion ist es um so netter, wenn etwas nicht stimmt. Wie die Schuhe, die erkennbar aus eigenen Beständen der Darsteller stammen.
Man könnte das Ganze aber auch viel kürzer formulieren. "Mensch, das ist doch voll lustig", sagte eine Zuschauerin in der Pause. "Abgesehen davon, daß die sterben."
Christina Rademacher

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