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Pressestimmen


Göttinger Tageblatt vom 20. Februar 1999:

Ungeliebter kleiner Liebling

Ein Flugzeug stürzt über einer einsamen Insel ab. Nur zwei Überlebende gibt es: eine Mutter und ihren elfjährigen Sohn. Als sie nach fünf Jahren gerettet werden, treffen sie auf einen Ehemann und Vater, der sich - wie eigentlich immer schon - längst mit einer anderen vergnügt. Das klingt, wenn auch nicht schön, so doch schlicht. In Nicky Silvers selbsternannter Komödie "Fette Männer im Rock" aber, die am Donnerstag zum ersten Mal im Göttinger Theater im OP zu sehen war, entwickelt sich daraus ein Szenario, in dem alles aus den Fugen gerät, in dem nichts mehr so ist, wie es einmal war, und schon gar nicht, wie es sein sollte.


Dienstmädchen im Schrank
Gegen Wahnsinn hilft es, andere in den Wahnsinn zu treiben, gegen fehlende Liebe hilft Inzest, gegen Hunger Kannibalismus. Und gegen Papas Geliebte die Stichsäge. Der kleine Bishop Hogan monogolisiert über Katherine Hepburn, löffelt genussvoll ein Baby aus und liebt seine Mutter - so sehr, dass er auch sie eines Tages umbringen muss. Vom stotternden und ungeliebten kleine Liebling wird er zum Monster, dessen variantenreiche Schimpfwortiaden noch zu seinen harmloseren Vorlieben zählen. Seine Mutter Phyllis übernimmt an seiner Statt die Rolle des hilflosen Kindes, sein Vater Howard wird zur fleischgewordenen Überforderung, und die Geliebte Pam sieht sich zu einem Dasein als Dienstmädchen im Schrank gezwungen.
Ohne Rücksicht auf irgendeine Einheit von Raum und Zeit begegnen sich die vier Personen auf der einsamen Insel genauso wie in Howrds Wohnung oder in der psychiatrischen Anstalt, in der Bishop nach seinen gesammelten Morden (respektiven Imbissen) landet. Eher mit dem Publikum als miteinander redend, machen sie sich gegenseitig fertig, erst verbal, dann körperlich, aber auf jeden Fall systematisch. Der Strudel des Wahnsinns darf nicht aufhören sich zu drehen.
In der Inszenierung von Oliver Gehrke lebt diese absurde und zutiefst schwarzhumorige Szenerie - ja, es ist wirklich eine Komödie! - vor allem von dem ausgezeichneten Ensemble. Auf der Bühne aus viel Sand, einem Schrank und wenigen Requisiten bewegen sich Mini von Platen als Phyllis, Benjamin Zachriat als Howard (und als Psychiater Dr. Nestor) und Iris Jansen als Pam (und als Psychiarie-Patientin Popo Martin) mit traumwandlerischer Sicherheit. In jedem Moment präsent, geben sie ihren Charakteren Profil, lassen auch die Details, den Tonfall, die Gesten stimmen.

Monströses Kind
Wirklich herausragend aber ist Peter Krackhardt als Bishop. Genussvoll kostet er es aus, die vielen Facetten, die Wandlungen und Brüche in der Person des monströsen Kindes darzustellen. Er hat Spaß an seiner Rolle und füllt sie mit skurrilem Leben - eine Idealbesetzung. Nicht nur ihm, sondern der ganzen, ausserordentlich gelungene Inszenierung spendete das Premierenpublikum stürmischen Applaus.
Falls übrigens Fragen aufkommen sollten: Fette Männer im Rock kommen in dem Stück eigentlich nicht vor.
Joachim F. Tornau

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