11-1999

 

Fabian Hebestreit   demnächst:

Push it! - Der Tragödie zweiter Teil - Weltpremiere

ThOP-ExtraVAG(K)ANZEN im November

 

P R E S S E S T I M M E N

Erst schmachten, dann sterben

von Christina Rademacher

Der Tragödie zweiter Teil? Falsch, es gibt gar keinen ersten. „Push It" ist das erste Theaterstück des Göttinger Studenten Fabian Hebestreit. Eine bolivianische Lesbentragödie im Bauernmilieu des ausgehenden 18. Jahrhunderts? Nichts weniger als das - mit den Untertiteln wird nur parodistisch gespielt. Die Zuschauer im Theater im OP erwartet ein munteres Hin- und Herhüpfen zwischen den Genres. „Push It" gefällt sich darin, vieles ein bisschen und nichts richtig zu sein: Komödie und Tragödie, Grusical und Fantasy-Drama, Soap-Opera und Krimi. Und so, zwischen allen Stühlen schwebend, hat Oliver Gehrke es auch inszeniert.

„Die Geschichte war das Wichtigste für mich", sagt der 21-jährige Autor. Übergeht man man viele der überraschenden Wendungen, die sie nimmt, geht sie etwa so: Holden (Hoiko Burmester als reine Seele und rechter Stoffel) leidet heftig unter den Freundschaftsdiensten von Peter (Peter Schubert) und Betty (Zübeyde Sarikaya), die ihm ein Blind Date nach dem anderen vermitteln. Laura Palmer (blond, naiv und sexy: Johanna Treckemeyer) ist Holdens sechste Kandidatin in diesem Jahr.

So weit, so Boulevardkomödie - wenn sich nicht die Anzeichen des Unheils mehren würden. Ein mysteriöser Anrufer lässt ständig Holdens Handy piepsen. Ripley, eine moderne Amazone (Alina Kupisch mit der Sterilität eines Roboters), taucht auf und wittert Gefahr im Kleiderschrank. Ein Handwerker (Björn Tank) entpuppt sich als Kopfgeldjäger. Und Holden verliebt sich in einen Vampir namens Angel (genüsslich gefährlich: Matthias Kneißl), der ihm verletzt in den Schoß fällt. Pardauz. Plötzlich sind alle tot.

Hier ist das Stück nicht zu Ende, es ist nur Pause. Danach geht's in der Hölle weiter. Neben dem Teufel (Heiko Siebert) ist dort auch Gott in Gestalt von Holdens Ex-Freundin Julia Capulet (Anna Schmid) zu finden. Und Holdens Mutter, Mrs. Robinson (Susi Kovac).

Fabian Hebestreit möchte viele Themen ansprechen: „Wie behandeln wir unsere Mitmenschen? Wer ist Gott? Wie ist es um die Eigenverantwortung des Menschen bestellt? Was bedeutet Freundschaft?" Diese Vielfalt geht zu Lasten der Tiefe und des roten Fadens. Aber im Einzelnen sind die Szenen, die das muntere Ensemble zeigt, durchaus gelungen und garniert mit witzigen Anspielungen und treffenden Pointen. „Ihr seid wirklich die verkommensten und menschenverachtendsten Subjekt, die mir jemals untergekommen sind - und ich war in Vietnam", sagt Kopfgeldjäger Rick. „Im Krieg?", fragt Holden. Rick: „Nein."

Die Handlung wird mit Liedern kommentiert, und eines davon ist ein wirklich herziges Duett geworden: Während Holden die sterbende Laura im Arm hält, schmachten sie gemeinsam „Somewhere over the rainbow". Da trieft die Parodie, in diesem Fall auf die Hollywood-Romanze, wunderschön.

 

 


 

Göttinger Tageblatt vom 5. November 1999

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