L'Opera Seria
- von Florian Leopold Gassmann -
- nach dem Libretto von R. di Calzahigi -
- neu bearbeitet von Klaus Berg -


Katrin Pauly, Göttinger Tageblatt vom 28.07.1998


Gipfeltreffen der Opernschickeria

Alle auf die Bühne, Durchlaufprobe: Die Sängerin müht sich im Vordergrund mit Koloraturen zu irgendeinem nichtssagenden Text über Thunfische in schäumenden Wellen. Das Restensemble findet das rasend komisch und albert im Hintergrund mit einem aufblasbaren Plastikfisch herum, derweil der Komponist die halbe Probe verpennt. Der Impressario wertet das alles noch als "kritische Distanz" und lobt die "Unterhaltung in bestem Brechtschen Sinn".

"L'Opera seria" nannte Florian Leopold Gassmann sein gar nicht ernstes Werk, das Klaus Berg am Sonnabend erstmals im Jungen Theater dem Göttinger Publikum vorstellte. Der Titel ist hier nicht Genreangabe, sondern Thema, und indem Gassmann die Entstehung und die ganzen zwischenmenschlichen Plänkeleien einer solchen Seria- Produktion nachzeichnet, machte er sich kräftig über sie lustig und verschont keinen der daran Beteiligten.

Niemand mag hier keinen

Einmal ist da die Produktionsseite, verkörpert durch den Impressario Fallito (Walker Wyatt), den Dichter Delirio (Florian Brauer) und den Komponisten Sospiro (Thilo Himstedt). Und dann gibt es natürlich die Darsteller: den Tenor-Gockel Rotornello (Friedrich von Mansberg), die morbide Porporina (Anna Palupski), die selbstverliebte Stonatrilla und die hypochondrische Smorfiosa (Margarete Nüßlein). Niemand mag hier keinen oder einer eine ganz besonders, was die Zusammenarbeit auch nicht erleichtert.

Dieses Gipfeltreffen der Opernschickeria ist ein einziger Jahrmarkt der Eitelkeiten. Der zunehmende Größenwahn spiegelt sich auch im Bühnenbild (Ausstattung: Carl Farin und Birgit Molter): Agieren die Stars zunächst noch auf einer Art Probebühne, so steht dem von Ritornello verkörperten Mongolengeneral am Ende ein Militärschrottplatz in Stalingrad als Hintergrund zur Verfügung.

Gassmanns Genrekritik des 18. Jahrhunderts überführt Klaus Berg damit in die theaterliche Neuzeit, in der zeitweise noch jede Gesellschaftskomödie als Kriegsallegorie herhalten mußte. Auch sonst hat der Regisseur die Vorlage aktualisiert, vom Original sind nur die italienischen Arien geblieben, die Rezitative hat er zu einer zeitgemäßen deutschen Text-Zitat-Collage umgearbeitet und alles mit vielen kleinen dramaturgischen Gags garniert. Deren Qualität mag im Einzelfall Geschmacksache sein, die Vorlage läßt in ihrer Konzeption jedoch fast jeden Klamauk zu, und diese Option hat Berg ausgiebig genutzt.

Die Darsteller werden dadurch gesanglich, besonders aber auch schauspielerisch stark gefordert. Ersteres meistern alle mit Bravour, im Schauspiel beeindruckte besonders Florian Brauer als versoffener Dichter Sospiro.

Vielschichtiges Spektakel

Das Orchester dieser Oper stand unter Leitung von Norbert Bernholt und mußte sich zu Beginn erst noch ein wenig auf die Sänger einspielen, gelegentlich übertönten hier die Musiker die Solisten. Ab Ende des ersten Aktes war dieses Problem gelöst, das Zuspiel der musikalischen Pointen klappte ausgezeichnet. Auch hier dirigierte wieder Ironie und Persiflage. So entstand ein vielschichtig-ironisches Musikspektakel, bei dem das sichere Gespür der Mitwirkenden für komische Details gewiß mit darauf zurückzuführen ist, daß die karikierte Bühnenwelt, zumindest teilweise, auch ihre eigene ist.

Und was das Publikum betrifft, seufzt Fallito noch im ersten Akt: "In diesem Jahrhundert gibt es kein Spektakel, das ihm gefallen kann." Es gibt, wie der donnernde Applaus am Ende der Vorstellung bewies.

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